Stade Lucchesi
Das Stade Lucchesi
Das Prinzip Schildkröte
Naom* Architekten legten Wert darauf, auch in jedem Detail vom Baumraster bis zur Beschilderung im Inneren „den Sirenen der Standardkataloge“ zu widerstehen. Aus gutem Grund.
Der Standort rund um das Stade Lucchesi war lange Zeit sich selbst überlassen und zur Heimat verbrannter Autos und Kleinkrimineller aller Art geworden.
Das Stade Lucchesi befindet sich in einem benachteiligten Viertel von Marseille (13. Arrondissement), in dem Vereinen und Schulen hochwertige und quartiersnahe Freizeitangebote fehlten.
Seine Originalität liegt in dem kühnen Vorschlag, die Gebäude (Umkleidekabinen, Cafeteria und Räume für den Platzwart) zu vergraben, um sie vor mutwilligen Beschädigungen zu schützen – und diesem zubetonierten Viertel echte Landschaftsgestaltung und Grünfläche zu bieten.
Die Kommune als Auftraggeber wollte die schwierige Nachbarschaft nicht durch einen weiteren Bunker stigmatisieren, sondern Sicherheit und Schutz vor Vandalismus durch den Einsatz von Architektur erreichen.
Der Standort rund um das Stade Lucchesi war lange Zeit sich selbst überlassen und zur Heimat verbrannter Autos und Kleinkrimineller aller Art geworden. Die Randbedingungen waren also bekannt, die Spezifikationen klar definiert:
- Ein benachteiligtes Viertel, das von Kriminalität geplagt war
- Das notwendige „Management“ unerwünschter Eindringlinge
- Ein Gitter, das unmöglich zu überqueren und gegen Angriffe resistent ist
- Ein Gebäude, das Einbrüchen, Graffitis, zerbrochenen Fenstern, Hausbesetzungen widersteht
- Einfache Wartung, einfache Instandhaltung
Architekt
Atelier Naom*
(New Architectes Of’ Marseille)
467 avenue de mazargues
F — 13008 Marseille
Bauherr
STB Northeast
20 Bd Françoise Duparc
F — 13 004 Marseille
Zum Programm gehören vier Umkleideräume, zwei Räume für die Schiedsrichter, eine Cafeteria sowie Toiletten.
Die Bedeutung von Architektur nimmt unter solchen Voraussetzungen eindeutig zu. Das Atelier Naom* (New Architectes Of’ Marseille) entschied sich gegen die in Gegenden wie dieser verbreitete Bunker-Architektur – und für das Vorbild der Schildkröten.
Das neue Umkleidegebäude für das Stade Lucchesi wurde fast komplett eingegraben, nur die Zugänge sind sinnigerweise gut erreichbar. Das schützt Fassaden und Dächer vor den bereits genannten Problemen und macht den Zugang leichter zu kontrollieren. Darüber hinaus entstand auf dem Gebäude eine Grünfläche, die hier bisher fehlte.
Zum Programm gehören vier Umkleideräume, zwei Räume für die Schiedsrichter, eine Cafeteria sowie Toiletten. Das Stade Lucchesi (Stade du Merlan) umfasst Fußball- und Minifußballplätze, Courts für Handball und Basketball, eine Leichtathletikbahn und einen Sprungplatz.
Die überraschende und doch funktionale gestalterische Antwort auf die Besonderheit des Ortes verändert auch seine Ästhetik: Es entstand eine Luftblase, ein besonderer Ort des Sports und der Erholung, der den Schulen und Bewohnern gewidmet ist. Das Projekt leiht sich ein pflanzliches Vokabular, um einen sehr besonderen Freiraum zu schaffen.
Standort
Stade Lucchesi
All. du Stade Roger Noto
F — 13013 Marseille
Eröffnung
2016
Die Architekten legten Wert darauf, auch in jedem Detail „den Sirenen der Standardkataloge“ zu widerstehen.
Das hat geklappt.
Die verwendeten Materialien rund um das Stade Lucchesi wirken – wie das Konzept – auf den ersten Blick ein wenig bizarr, ergeben aber absolut Sinn: Die Patina aus Cortenstahl, in warmen Farbtönen von Orange bis Braun, die an die Farbe der Erde erinnern, verbindet sich mit den grünen Hängen, die von Blumen und Brachland übersät bzw. geprägt sind.
Die einzelnen Teile des Zauns, die von weitem wie eine geschlossene Fläche wirken, verflüchtigen sich schnell wie Zweige und lassen Ein- und Durchblicke zu. Vor allem erlauben sie, das Gelände zu schließen. Das macht man anderswo auch, hier jedoch hat der Zaun auch eine wahrnehmbare und gut gestaltete Verbindung zum nahen städtischen Kontext.
Auch aus ökologischer Sicht hat dieses Projekt viel zu bieten. So wurden die vorhandenen Bodenmassen vor Ort wieder verwendet, die Lastwagenfahrten wurden verringert. Außerdem wurden Maßnahmen zur Regenwasserrückhaltung und zur geothermischen Energieerzeugung ergriffen.
Aus praktischer Sicht ist die Wahl eines Werkstoffes wie Cortenstahl eine nachhaltige Entscheidung, denn er ist langlebig und pflegeleicht: Nach dem Schleifen (z.B. eines Graffitis) regeneriert sich die Patina von selbst. Die gesamte Stadtmöblierung wurde für diesen Standort, für das Stade du Merlan, entworfen.
Die Architekten des Stade Lucchesi legten Wert darauf, auch in jedem Detail vom Baumraster bis zur Beschilderung im Inneren ihrer Rolle als Designer gerecht zu werden und „den Sirenen der Standardkataloge“ zu widerstehen.
Das hat gut geklappt.
Fotos
Atelier Naom*
Text
Johannes Bühlbecker
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