Revitalisierung der Westerwaldstraße in Köln

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Die einzige Zukunftsaussicht der Kölner Westerwaldstraße zu Projektbeginn war die auf weiter zunehmende soziale Segregation.

Das mehr als zwei Kilometer lange Projektgebiet bietet nun nicht nur attraktive Flächen für Spiel und Sport, sondern auch barrierefreie Angebote zur Förderung des gesellschaftlichen Miteinanders.

Die ökolo­gi­sche Revi­ta­li­sie­rung der Grün- und Brach­flä­chen entlang der Stadt­quar­tiere der Wester­wald­straße in Köln ist ein gelun­genes Beispiel für die Möglich­keiten der Land­schafts­ar­chi­tektur bei der Bewäl­ti­gung von Heraus­for­de­rungen durch Klima­wandel und Boden­be­las­tungen, und das in anspruchs­vollem sozialen Kontext. 

Das mehr als zwei Kilo­meter lange Projekt­ge­biet verbindet die beiden Stadt­teile Humboldt und Grem­berg. Es bietet nun nicht nur attrak­tive Flächen für Spiel und Sport, sondern auch barrie­re­freie Naherho­lungs­an­ge­bote, Wege und Plätze zur Förde­rung des gesell­schaft­li­chen Mitein­an­ders. 

Darüber hinaus verrin­gert das Projekt die bestehenden klima­ti­schen Belas­tungen wie Hitze oder Stark­regen. Die verbes­serten klima­ti­schen Bedin­gungen sind in Teilen bereits direkt nach Fertig­stel­lung spürbar und werden sich im Laufe der Entwick­lung der Grün­flä­chen weiter verstärken.

Geplant wurde das bereits prämierte Projekt von WES Land­schafts­Ar­chi­tektur aus Hamburg. Bauherrin war die Stadt Köln unter der Leitung des Amts für Land­schafts­pflege und Grün­flä­chen.

Mit dem Programm “Starke Veedel – Starkes Köln” verbessert die Stadt Köln die Lebensbedingungen in elf Kölner Sozialräumen.

Typisch für den Planungs­be­reich zwischen Humboldt, Grem­berg und Kalk waren der hohe Versie­ge­lungs­grad, die bauliche Verdich­tung, Luft­schad­stoff- und Lärm­be­las­tungen sowie ausge­prägte soziale Segre­ga­tion. Darüber hinaus sind 90 bis 95 Prozent der Flächen durch depo­nie­ar­tige Auffül­lungen vorbe­lastet. Aufgrund des geringen Anteils an Grün­flä­chen gehen Klima­pro­gnosen davon aus, dass hier zukünftig eine über­durch­schnitt­liche Wärme­be­las­tung bevor­steht.

Das sind keine guten Voraus­set­zungen für eine wenig privi­le­gierte Gegend Kölns. Gefragt war daher eine Planung, die mehr Grün­räume, mehr Lebens­qua­lität und mehr Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­zial für die Anwohner schafft – und sich gleich­zeitig den ökolo­gi­schen Heraus­for­de­rungen der Zukunft stellt.

Die Maßnahme “Ökolo­gi­sche Revi­ta­li­sie­rung der Wester­wald­straße” war Teil des Programms “Starke Veedel – Starkes Köln” und wurde durch umfang­reiche Förder­gelder aus dem Euro­päi­schen Fonds für regio­nale Entwick­lung (EFRE) unter­stützt.

Mit dem Programm “Starke Veedel – Starkes Köln: Mitwirken, zusam­men­halten, Zukunft gestalten” verbes­sert die Stadt Köln die Lebens­be­din­gungen in elf Kölner Sozi­al­räumen, in denen insge­samt mehr als 200.000 Menschen leben. Dabei geht es nicht nur um die Verbes­se­rung des Wohn­um­felds durch Maßnahmen wie die Verschö­ne­rung von Außen­flä­chen und die Neuge­stal­tung von Kinder­spiel­plätzen.

“Starke Veedel – Starkes Köln“ beinhaltet auch eine Reihe von Ange­boten, mit deren Hilfe Kinder, Jugend­liche und Fami­lien ihre sozialen, kultu­rellen und gesund­heit­li­chen Perspek­tiven verbes­sern können – und gleich­zeitig lernen, sich für ihren Sozi­al­raum zu enga­gieren.

Bei der Analyse des Bestandes wurden die Quartiere auch hinsichtlich Blickbeziehungen, Landmarken, erkennbaren Störungen bis hin zu vorgefundenen Trampelpfaden analysiert.

Die Planer von WES Land­schafts­Ar­chi­tektur haben das Gebiet entlang der Wester­wald­straße als zentraler, über­wie­gend von moto­ri­siertem Verkehr freier Achse von Westen nach Osten in drei Bereiche unter­teilt: das quar­tiers­nahe Grün der Kanne­bä­cker­sied­lung, die zentrale Grün­fläche rund um die Fest­wiese und die neuen Sport- und Spiel­flä­chen an der Lenz­wiese.

Der nun durch­ge­hende Grünzug schafft Verbin­dungen vom dicht bebauten Zentrum des Stadt­teils bis hin zum Äußeren Grün­gürtel, einer der beiden großen Grün­zonen Kölns. Nicht weniger wichtig ist die Verknüp­fung mit den angren­zenden Quar­tieren mit der Grem­berger Straße.

Die ökolo­gi­sche Bedeu­tung der Maßnahme ist enorm: Die Neupflan­zungen von mehr als 200 Bäumen, die Aufwer­tung der Ruderal­flä­chen (das sind brach­lie­gende Rohbo­den­flä­chen), neu ange­legte Streu­obst­wiesen sowie Nähr­weiden für Vögel und Insekten wirken Luft- und Lärm­be­las­tungen entgegen und verbes­sern die Biodi­ver­sität und das Mikro­klima vor Ort erheb­lich.

Die Revi­ta­li­sie­rung der Wester­wald­straße schafft einen mehr als sechs Hektar großen, nahezu Kfz-freien und zusam­men­hän­genden Grün­raum mit mehr als drei Kilo­me­tern Wegstrecke.

Dabei haben sich die Planer auch an den Tram­pel­pfaden orien­tiert, auf denen die Menschen das Gebiet früher durch­quert haben. Auch bestehende Struk­turen wie Hügel und eine Anhöhe mit Blick auf den Dom blieben erhalten.

Die früh­zei­tige Bürger­be­tei­li­gung durch Rund­gänge, Stra­ßen­feste und Work­shops sicherte das Vertrauen und die Mitwir­kung der Öffent­lich­keit an dieser koope­ra­tiven Planung. Nicht jede Idee konnte umge­setzt werden, wurde aber bewertet und disku­tiert. Der Erfolg liegt in der großen Akzep­tanz der Planung.

Bei der Analyse des Bestandes wurden die Quar­tiere in ihrer Komple­xität, dem Zusam­men­wirken vorhan­dener Einrich­tungen und Insti­tu­tionen, den Blick­be­zie­hungen und Land­marken, erkenn­baren Störungen bis hin zu vorge­fun­denen Tram­pel­pfaden analy­siert.

Kannebäckersiedlung:
Kommunikation und Erholung

In diesem wohnungs­nahen, west­li­chen Bereich des Grün­zuges soll es ein wenig ruhiger zugehen. Hier gibt es viele Sitz­mög­lich­keiten, Lang­gras­wiesen und Obst­bäume. Die komplett barrie­re­freien Bereiche und der neue Quar­tiers­platz fördern den Austausch – eine weitere ganz wesent­liche Verbes­se­rung gegen­über dem alten Zustand.

Neue Wege­ver­bin­dungen attrak­ti­vieren die auto­freie Mobi­lität im Quar­tier. Wo früher der Weg auf einem Park­platz endete, kann man jetzt barrie­re­frei durch Grün­flä­chen bis ins Zentrum des Veedels spazieren. Hier rahmen die Wege und eine pfle­ge­leichte Stauden- und Gräser­pflan­zung einen kleinen Platz mit Rasen­flä­chen. 

Dieser Platz mit seinen Bänken dient auch als Treff­punkt des Vier­tels. Dank seiner wasser­ge­bun­denen Decke und dem umlau­fenden Pflas­terweg kann er für kleine Veran­stal­tungen oder auch als Boule­platz genutzt werden.

Abschnitt ehemalige Festwiese:
Erholung und Spiel

Die ehema­lige Fest­wiese ist die zentrale Grün­fläche des gesamten Projekt­be­reichs – ein Stadt­teil­park mit viel­fäl­tigen Ange­boten für Sport, Spiel und Erho­lung, mitein­ander und ohne räum­liche Tren­nung.

In der Vergan­gen­heit war dieser Bereich aller­dings bis zu einer Tiefe von acht Metern durch Altlasten aufge­füllt worden. Dieses Gefähr­dungs­po­ten­zial musste in Zusam­men­ar­beit mit dem Amt für Umwelt und Verbrau­cher­schutz bewertet werden, und Maßnahmen für die geplante Nutzung als Kinderspiel‑, Park- und Frei­zeit­an­lage mussten erar­beitet werden. 

Wo es erfor­der­lich war, wurde Boden ausge­tauscht und Grabe­schutz einge­bracht. Alle Flächen wurden mit unbe­las­tetem Ober­boden abge­deckt.

Nun verbinden neue Wege, mit wasser­ge­bun­dener Wege­decke befes­tigt, die Fest­wiese mit der umlie­genden Bebauung. Die neu geschaf­fene Kinder­spiel­fläche bietet durch die Auswahl der Geräte (Stan­gen­wald, Schau­keln, Klet­ter­ge­rüst, Lauf­band, Rutsche) nicht nur viel Spaß, sondern auch ein ausge­zeich­netes Bewe­gungs- und Koor­di­na­ti­ons­trai­ning für Kinder.

Der asphalt­be­fes­tigte, wasser­durch­läs­sige Street­ball­platz südlich des Kinder­spiel­platzes bietet mit seinen vier Körben in unter­schied­li­chen Höhen (je zwei in turnier­sport­taug­li­cher Höhe von 3,05 Metern bzw. in kind­ge­rechten 2,30 Metern) sport­liche Anreize für alle Gene­ra­tionen.

In den Zugangs­be­rei­chen entstand eine „Obst- und Zier­obst­wiese“. Bei der Arten- und Sorten­zu­sam­men­set­zung der 50 Bäume wurde die Obst­sor­ten­emp­feh­lung des BUND für Streu­obst­wiesen in NRW zugrunde gelegt. 

Auf der Fläche dagegen setzen über 20 Soli­tär­bäume wie Ahorn und Eiche, als Einzel­baum oder in Gruppen, Akzente und lenken Blicke. Rund 2.500m² arten­reiche Wiesen- und Kräu­ter­an­saaten mit regio­nalem Saatgut wurden ange­legt, um zusätz­liche Lebens­räume und Nahrungs­an­ge­bote für Insekten zu schaffen.

Abschnitt ehemalige Brache An der Lenzwiese:
Spiel und Sport

Die triste Situa­tion „An der Lenz­wiese“ wurde durch einen still­ge­legten Sport­platz, einen wenig attrak­tiven Spiel­platz und eben­falls nicht nutz­bare Brach­flä­chen charak­te­ri­siert. Auch auf dieser Fläche sind Altlasten abge­la­gert, weshalb dieselben Krite­rien wie bei der Fest­wiese zu beachten waren.

WES schuf hier eine große, zusam­men­hän­gende Grün­fläche mit dem Schwer­punkt Sport und Bewe­gung. Es entstanden ein Bewe­gungs­par­cours, eine 50-m-Sprint­bahn, ein Hinder­nis­par­cours und ein neu ange­legter Spiel­platz auf einem Plateau. Beson­ders attraktiv ist, dass die einzelnen Anla­gen­teile inein­ander über­gehen – ein Fitness-Angebot auch für die Mitglieder des benach­barten Sport­ver­eins.

Auf der Tennen­fläche des ehema­ligen Sport­platzes entstand eine kreis­runde Arena mit einem Durch­messer von 100 Metern, die von säulen­ar­tigen Baum­pflan­zungen gesäumt wird. 

Der umlau­fende Weg, ausge­baut als Finn­bahn mit einer Länge von 300 Metern, dient als Spazierweg oder Ausdau­er­lauf­strecke.  Dieser eigen­stän­dige, auf der Südseite aufge­höhte Raum ist für weitere viel­fäl­tige Frei­zeit­ak­ti­vi­täten nutzbar.

Die Ostseite der kreis­för­migen Arena wurde als Rasen­fläche, mit zwei Toren im Abstand von 40 Metern zuein­ander, ausge­bildet. Auf der Fläche und am Rand ange­ord­nete Sitz­möbel für Zuschauer und Passanten vervoll­stän­digen das Bild einer attrak­tiven und zeit­ge­mäßen Sport­an­lage.

Die Topo­gra­phie der Brach­fläche konnte kaum verän­dert werden. Insbe­son­dere Eingriffe in den Bestand waren aufgrund der Altlasten nahezu ausge­schlossen. Also nutzten die Planer die vorhan­denen Gelän­de­sprünge als Topo­gra­phie für den 600 m langen Biket­rail und ergänzten diesen mit einer Viel­zahl von Einbauten zur Erhö­hung des Fahr­spaßes.

Hauptachse Westerwaldstraße:
Wege und Plätze

Die Haupt­achse bildet die neue Verbin­dung zwischen dem inner­städ­ti­schen, rechts­rhei­ni­schen Grünzug und dem äußeren Kölner Grün­gürtel. Auf einer Länge von fast zwei Kilo­me­tern kombi­niert sie lineare Grün­flä­chen mit platz­ar­tigen Aufwei­tungen und verbindet den Grünzug Kanne­bä­cker­sied­lung, die Fest­wiese und die Lenz­wiese mitein­ander.

Neben den funk­tio­nalen, gestal­te­ri­schen Aspekten und dem Gewinn an Frei­zeit­an­ge­boten und Aufent­halts­qua­lität schaffen die Bepflan­zungen, über­wie­gend „Zukunfts­bäume“, eine deut­lich spür­bare ökolo­gi­sche Aufwer­tung und Verbes­se­rung des Mikro­klimas.

Bei der Auswahl an Arten und Zusam­men­set­zung von Sorten wurden insbe­son­dere Bäume verwendet, die sich in Unter­su­chungen als beson­ders klima­re­si­lient erwiesen haben.

Fazit:
Vom Randgebiet zur städtischen Oase

Die Kölner Wester­wald­straße bot zu Projekt­be­ginn ein deso­lates Bild. Viel Versie­ge­lung, wenig Grün, geschlos­sene Sport- und Spiel­plätze und jede Menge Altlasten. Die einzige Zukunfts­aus­sicht war die auf weiter zuneh­mende soziale Segre­ga­tion.

Das Ergebnis der Maßnahme „Revi­ta­li­sie­rung der Wester­wald­straße“ ist ein durch­ge­hendes und hoch­at­trak­tives, acht Hektar großes Grün­ge­biet mit viel­sei­tigen Ange­boten, von der Park­bank vor der Haustür bis zur Arena an der Lenz­wiese. Auch über­ge­ord­nete Ziele wie die Klima­an­pas­sung, ökolo­gi­sche Aufwer­tungen, der Zuwachs und Ausbau von quar­tiers­nahen, barrie­re­freien Grün­flä­chen und die Vernet­zung von Fuß- und Radwegen wurden erreicht.

Der Bund Deut­scher Land­schafts­ar­chi­tekten bdla hat das Projekt bereits mit dem „nrw.landschaftsarchitektur.preis 2022“ ausge­zeichnet. Die Jury lobte den grünen „Fußweg- und Radver­kehrs­raum, der als grüne Achse die Straßen und Räume verbindet. Außerdem verbes­sern sich die ökolo­gi­schen Bedin­gungen des Stadt­raums. Die Attrak­ti­vität des Quar­tiers steigt. Das Konzept bewäl­tigt die Heraus­for­de­rungen durch Klima­wandel, Boden­be­las­tungen und soziale Segre­ga­tion.“

Mit anderen Worten: Ein vorbild­li­ches Projekt, das die Umwelt­be­las­tungen vermin­dert und die Lebens­qua­lität erhöht – und beides deut­lich.

Projektdaten

Planung

WES GmbH
Land­schafts­Ar­chi­tektur
Jarrestr. 80   
D — 22303 Hamburg   

Bauherr

Stadt Köln
Amt für Land­schafts­pflege und Grün­flä­chen
Willy-Brandt-Platz 2
D — 50679 Köln

Standort

Wester­wald­straße
D — 51105 Köln

Eröffnung

2021

Autor

Johannes Bühl­be­cker
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Fotos

Guido Erbring, Köln

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