Überraschende Konturen

Radsportzentrum Tiszafüred

Architektur und Mobilität

Vor zehn bis 15 Jahren hat das Thema Mobi­lität in der zeit­ge­nös­si­schen unga­ri­schen Archi­tektur an Dynamik gewonnen. Eine Haupt­auf­gabe der jungen Gene­ra­tion von Archi­tekten, Inge­nieuren und Stadt­pla­nern ist die Neude­fi­ni­tion und Umge­stal­tung der bestehenden städ­ti­schen Infra­struktur. Archi­tektur und Mobi­lität beein­flussen nicht nur die Verkehrs­sys­teme, sondern auch soziale Räume und öffent­liche Parks. Neben den tradi­tio­nellen Aufgaben eines Archi­tekten wie der Gestal­tung von Gewerbe- und öffent­li­chen Gebäuden oder der Schaf­fung von Wohn­raum wird die Bildung und Gestal­tung neuer Stadt­netze und ‑räume immer wich­tiger.

Die Stadt Tisza­füred (10.000 Einwohner) gilt als Haupt­stadt der Region um den Theiß-See, Ungarns größtem künst­li­chen See. Dennoch hat sie relativ wenige Sehens­wür­dig­keiten oder Gebäude, die aus archi­tek­to­ni­scher Sicht erwäh­nens­wert sind, zu bieten. Eine davon ist das Hotel Tisza Balneum (Ferdi­nand Archi­tects, 2008).

 

Aus heiterem Himmel

Viel­leicht ist das ein Grund, aus dem die erste Begeg­nung mit dem Radsport­zen­trum Tisza­füred über­rascht. Besu­cher kommen meist  von der Haupt­straße aus Rich­tung Debrecen. Meilen­weit gibt es nichts zu sehen – außer den atem­be­rau­benden Flug­zeugen von Horto­bágy. Kommt man nach Tisza­füred und über­quert die Bahn­linie, steht da auf einmal dieser Neubau. Die Wahr­neh­mung des Radsport­zen­trums Tisza­füred unter­scheidet sich stark von anderen und höheren Gebäuden, die sich bereits von weitem ankün­digen. Hier kommt er ganz aus dem Nichts. Nach ein oder zwei Kurven raus aus dem Stadt­zen­trum hat man plötz­lich ein schnee­weißes, frei­ste­hendes Gebäude vor sich – und zwar eins mit über­ra­schenden Umrissen.

Architekt

Ferdi­nand and Ferdi­nand Archi­tects
H‑1053 Buda­pest
Szép utca 2
Hungary

Bauherr

Entwick­lungs­ge­sell­schaft Theiß-See

Erdge­schoß
Ober­ge­schoß
2. Obergesch0ß
Tiszafüred Cycling Centre (c) Andrea Balazs
Tiszafüred Cycling Centre (c) Andrea Balazs

Vorbilder

Das Radsport­zen­trum Tisza­füred sieht aus, als sei es inspi­riert von nieder­län­di­schen oder däni­schen Beispielen für städ­ti­sche Fahr­rad­an­lagen, in denen die Straße oder Rampe zum Gebäude wird: Sie schlän­gelt sich nach oben, steigt langsam an und verbindet sich schließ­lich ganz oben mit dem Gebäude. Hier befindet sich Eingangs­zone des Pavil­lons.

Die Verbin­dung zwischen dem mitt­leren Korpus des Gebäudes und den Rampen ist lockerer, weniger kalku­liert und weniger gleich­mäßig. Die Rampen, die die Radfahrer nach oben führen, sind mit begrünten Flächen über­dacht, die an wich­tigen Stellen die funk­tio­nelle Verbin­dung zwischen den verschie­denen Ebenen herstellen.

Die drei Etagen haben drei unter­schied­liche Funk­tionen: Im Erdge­schoss befinden sich Fahr­rad­ver­leih und Service­an­ge­bote, darüber liegen Toiletten und Duschen und ganz oben ist Platz für einen Coffe-Shop und eine Infor­ma­ti­ons­theke. Von hier aus hat man einen herr­li­chen Blick auf den Theiß-See.

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Fertigstellung

2016

Ein Tag im Radsportzentrum Tiszafüred

Ein „normales“, eintä­giges Fahr­rad­pro­gramm im Radsport­zen­trum Tisza­füred sieht unge­fähr so aus: Fami­lien oder Touris­ten­gruppen kommen mit dem Auto oder Bus an, wech­seln auf ihre eigenen oder gemie­teten Fahr­räder, wenden sich bei Bedarf an den Infor­ma­ti­ons­schalter und starten ihren Trip über die 50 km lange Fahr­rad­route. Bei ihrer Rück­kehr können sie hier duschen, sich umziehen, ihre Räder repa­rieren oder warten lassen, sich im Café stärken, entspannen und ihre Reise fort­setzen.

Das Radsport­zen­trum Tisza­füred mag etwas extro­ver­tiert wirken, da der Stil und die Größe des Gebäudes eher in einem dich­teren städ­ti­schen Hinter­grund erwartet werden. Die Archi­tekten Ferdi­nand und Ferdi­nand wollten jedoch einen symbo­li­schen und einpräg­samen Ort schaffen, der Tisza­füred deut­lich von anderen touris­ti­schen Desti­na­tionen unter­scheidet.

Das Radsport­zen­trum Tisza­füred dient also nicht nur den reinen funk­tio­nellen Bedürf­nissen der Biker, es wurde auch als Symbol touris­ti­scher Entwick­lungs­pro­jekte in der Region Tisza­füred entworfen.

Textautor

Jozsef Martinko

Fotograf

© Andrea Balazs
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