Keine Schule, kein Skate­boarden

Janwaar Castle in Indien

Keine Geschichte, keine Zukunft

Janwaar Castle befindet sich im östli­chen Rand­ge­biet des Band­hav­garh-Natio­nal­park in Madhya Pradesh, Indien. Janwaar ist ein kleines Dorf in der Nähe von Panna im nörd­li­chen Teil von Madhya Pradesh – einem der größten und ärmsten Staaten Indiens. 1.000 Menschen (300 Kinder) leben hier, eine Mischung aus Adivasi und Yadav. Kasten­wesen und Ungleich­heit der Geschlechter sind weit verbreitet. Die Menschen in Janwaar wurden aus dem Band­hav­garh-Natio­nal­park umge­sie­delt, als der Park 1981 gegründet wurde. Das Dorf hat keine Geschichte, es ist nicht gewachsen – die Häuser liegen weit ausein­ander und erfüllen ledig­lich Mindest­an­for­de­rungen. Janwaar hat Strom, aller­dings nicht in jedem Haus und nicht immer- Unter­bre­chungen von sechs bis acht Stunden am Tag sind normal. Wasser und Abwas­ser­ent­sor­gung sind ein großes Thema. Gesund­heits­ein­rich­tungen, Bäcker oder andere Geschäfte fehlen in Janwaar.

Armut, Kasten­wesen, Diskri­mi­nie­rung von Frauen: Genau ins Zentrum dieses Dorfes baute eine Gruppe profes­sio­neller und leiden­schaft­li­cher Huma­nisten, Akti­visten und Skate­boarder einen Skate­park: Ulrike Rein­hardt in Zusam­men­ar­beit mit der Orga­ni­sa­tion Skate-Aid von Titus Ditt­mann, die Planer um Ralf Maier und Beton­land­schaften und viele unge­nannte Frei­wil­lige. Heute ist Janwaar ein einzig­ar­tiger Ort in Indien.

Planer

Betonlandschaften/ maier­land­schafts­ar­chi­tektur
Dipl.-Ing. Ralf Maier
Rösra­ther Straße 769
51107 Köln

Team

skate-aid e.V.
Schei­ben­straße 121
D‑48153 Münster

Bauherr + Träger

Alle Kasten, alle Elemente

Die multi­funk­tio­nale Skate­an­lage kann sowohl von profes­sio­nellen Skate­boar­dern als auch von Anfän­gern wie Kindern genutzt werden, die diesen Sport nie zuvor ausgeübt haben. Es gibt genü­gend ebene Flächen, so dass die Grund­be­we­gungen wie das Balan­cieren auf dem Brett gut trai­niert werden können. Aber auch erfah­rene Skater können hier ihre Fähig­keiten verbes­sern. Die Anlage verfügt über kleine Skate-Elemente wie Bänke oder Wobbles – ideal, um die Grund­be­we­gungen zu erlernen und weitere Fort­schritte zu ermög­li­chen. Tran­si­tions sind ein weiteres klas­si­sches Element des Skatings, das als Quar­ter­pipe in verschie­denen Radien und Höhen geformt wird. Dieses Element erfor­dert mehr Erfah­rung im Skaten als Banken, scheint aber für die meisten Kinder leicht zu sein. Weitere Elemente der Anlage sind Curbs, Ledges und Rails, die selbst profes­sio­nelle Skate­boarder heraus­for­dern. Der Skate­park kann als Trai­nings­an­lage für alle Quali­täts­stufen betrachtet werden. Viele indi­sche und sogar einige inter­na­tio­nale Profis kommen hierher und führen hier ihre Tricks vor.

Die Plat­zie­rung der Elemente des Skate-Parks ist ein sehr wich­tiger Aspekt, da sie die Anzahl der Benutzer und die Art und Weise, wie jedes Element verwendet wird, bestimmt. Janwaar Castle ist so konzi­piert, dass es von vielen Schü­lern gleich­zeitig genutzt werden kann, ohne das Risiko einer Kolli­sion einzu­gehen. Möglich wurde dies durch die quadra­ti­sche Anord­nung der Elemente. Skater können von einem Teil des Parks zu einem anderen fahren, während sie trotzdem viel Frei­raum haben.

Die Unter­kon­struk­tion besteht aus trag­fä­higen Kies­schichten. Darauf ruht der Stahl­beton, der mit einer spezi­ellen Behand­lung geglättet wird. Auf diese Weise werden die Geräu­sche und die Flieh­kräfte redu­ziert, was zu einer ruhi­geren Fahrt ohne über­mä­ßigem Geschwin­dig­keits­ver­lust oder Lärm führt. Mit ausschließ­lich ehren­amt­li­cher Arbeit und unter den engen Budget­re­strik­tionen huma­ni­tärer Orga­ni­sa­tionen war es dennoch möglich, einen einzig­ar­tigen Skate­park zu schaffen, der den aner­kannten inter­na­tio­nalen Stan­dards entspricht.

Standort

Panna Khaju­raho Road
Janwar
Madhya Pradesh 488441
Indien

}

Fertig­stel­lung

2015

BILDER

Girls first

In Janwar Castle gelten zwei einfache Regeln: “No school, no skate­boar­ding” und “Girls first”.

Man sieht bereits auf einen flüch­tigen Blick: Diese Kinder lernen Skate­board fahren schnell und gut. Bei genauerer Betrach­tung bemerkt man aller­dings, dass sie darüber hinaus auch das Lernen und die Zusam­men­ar­beit an sich erlernen. Kinder unter­richten andere Kinder, ermu­tigen andere und schaffen eine soli­da­ri­sche Atmo­sphäre des Lernens und Übens. „Keine Schule, kein Skate­boar­ding” sorgt dafür, dass die Kinder regel­mäßig zur Schule gehen. Dies hat zu einer Stei­ge­rung der Besu­cher­zahlen der Schüler geführt, verbunden mit einem insge­samt posi­ti­veren und enthu­si­as­ti­scheren Ausblick.

Die Gleich­stel­lung der Geschlechter wurde den Kindern mit einer inno­va­tiven Methode namens “Girls first” beigebracht, bei der jedes Mädchen das Recht erhält, ein Skate­board zu benutzen. Alles, was sie tun muss, ist mit „Girls first“ danach zu fragen.

Text­autor

Ralf Maier

Foto­graf

 

Vicky Roy

 

Sport über­windet alle Grenzen

Eine noch größere Aufgabe bestand jedoch darin, Yadavs und Adivasis zusam­men­zu­bringen. Große Teile Indiens sind nach wie vor mit Diskri­mi­nie­rung aufgrund ihrer Kasten­zu­ge­hö­rig­keit konfron­tiert. Einige wich­tige Werte wie Respekt und Gleich­be­rech­ti­gung werden den Kindern, die vom Kasten­system betroffen sind, hier vermit­telt. Da Kinder in Indien in einem Umfeld großer Segre­ga­tion aufge­wachsen sind, war es zunächst schwierig, Freund­schaften zwischen Kindern aus verschie­denen Kasten zu schließen. In Janwaar Castle sind alle gleich, jeder skatet und kommu­ni­ziert mit jedem.  

Skate­boar­ding hilft den Schü­lern, ihre sozialen Fähig­keiten zu entwi­ckeln und lässt sie in einer unge­zwun­genen Umge­bung inter­agieren. Diese Entwick­lung hat einen über­ra­gend posi­tiven Einfluss auf ihre gesamte Entwick­lung. Der Skate­park Janwaar Castle ist ein groß­ar­tiges Beispiel für Nach­hal­tig­keit und dafür, dass der Sport alle Grenzen über­winden kann.

Baukosten

20.000 €

VIDEOS
 
DER PLANER
Ralf Maier – Freier Land­schafts­ar­chi­tekt und Inhaber von Betonlandschaften/maierlandschaftsarchitektur

Skate­parks sind für alle da!

Das ist der Leit­satz von Beton­land­schaften.
Bei der Planung von Skate- und Bike­parks blickt das Büro auf lang­jäh­rige fach­liche Erfah­rung zurück. Das breit aufge­stellte, in der Szene aktive Team kennt die Bedürf­nisse aller Nutzer­gruppen und setzt diese um. Als deutsch­land­weit einziges auf Action­s­port spezia­li­siertes Land­schafts­ar­chi­tek­tur­büro versteht es Beton­land­schaften, beson­ders diese Anfor­de­rungen mit denen der Kommunen zu verein­baren.

FÜNF ANTWORTEN VON RALF MAIER
  1. Erzählen Sie uns von Ihren Top 5 Sport­an­lagen.
    Die von uns gebauten Top 5 sind: Skate­park Betlehem (Paläs­tina), Janwaar Castle (Indien), Skate­park Karoh (Afgha­ni­stan), Spiel- und Frei­zeit­park Gummers­bach und Wheel­park Wiehl (beide in Deutsch­land)
  2. Welche Archi­tekten und Gebäude haben Sie nach­haltig beein­druckt?
    Gebäude: Kölner Dom, Eifel­turm, Karwendel Riesen­fern­rohr und die Sprung­schanze Holmen­kollen. Und Archi­tekten, die Mensch und Natur im Fokus haben und nicht Ihr eigenes Ego.
  3. Was und wen halten Sie für die Trends und Trend­setter der Branche?
    Muli­ti­funk­tio­nale Sport- und Frei­zeit­an­lagen, verein­sun­ge­bunden und frei zugäng­lich.
  4. Welches Buch sollten Archi­tekten in dieser Branche gelesen haben?
    “Why do Archi­tects wear black?” von Cordula Rau
  5. Was ist/war Ihr Lieb­lings­lied beim Entwerfen?
    Chicane: Don‘t give up
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