Was das Herz berührt

Ein Gespräch mit Ralf Maier

Ralf Maier, Land­schafts­ar­chi­tekt aus Köln, gestaltet Skate­bahnen für soziale Projekte in der ganzen Welt. Warum Mädchen in Afgha­ni­stan auf Bret­tern, aber nicht auf dem Fahrrad fahren dürfen, wie man Hand­werker für Afrika über Insta­gram findet und warum er viel­leicht bald olym­pisch tätig sein könnte. Ein Gespräch über Inte­gra­ti­ons­ar­beit auf unge­wöhn­li­chem Terrain, geführt von Marcus Meyer (DOSB).

Herr Maier, Sie planen Skate­bahnen, sind welt­weit als Experte gefragt. Eine recht ausge­fal­lene Tätig­keit für einen Land­schafts­ar­chi­tekten. Das ist weniger exotisch, als Sie denken. In Deutsch­land gehört die Konzep­tion von Sport­an­lagen zur Aufgabe eines Land­schafts­ar­chi­tekten; Sportplatz‑, Land­schafts- und Außen­an­la­genbau haben ähnliche Richt­li­nien. Die meisten Kollegen gestalten aber eher Spiel- und Frei­zeit­an­lagen auf Schul­höfen und in Kinder­ta­ges­stätten, kümmern sich um Ufer­be­grü­nung und städ­ti­sche Plätze.  

Wie sind Sie bei den Skate­boar­dern gelandet? Ich komme aus dem BMX-Sport. Beide Sport­arten, Skate­board- wie BMX-Fahren, fris­teten in meiner Jugend ein Nischen­da­sein in den Rand­be­zirken der Städte, auf ziem­lich lang­wei­ligen Bahnen. Der Grund: Die Rampen stammten von Spiel­ge­rä­te­her­stel­lern. Und deren Normen sind weit strenger als jene für Sport­plätze. Ich wollte es besser machen.

Sie haben eine Reihe von Skate­bahnen in Afrika, Indien und Afgha­ni­stan in den Sand gesetzt. Wie kam es zu diesen Projekten? Den Ausschlag hat Titus Ditt­mann gegeben, der ja so eine Art Ahnen­vater dieses Sports in Deutsch­land ist. Er war Anfang der 1980er-Jahre der größte Impor­teur von Skate­boards und der dazu­ge­hö­rigen Schutz­klei­dung, die BMX-Fahrer eben­falls benutzt haben. Titus hat uns damals ausge­rüstet und gespon­sert. Seitdem ist der Kontakt zu ihm nicht abge­rissen. Irgend­wann hat er mich ange­rufen und erzählt, dass er mit seiner Stif­tung skate-aid einen Skate­park in Afgha­ni­stan bauen will. Sein Plan: Beton­fer­tig­teile aus Deutsch­land erst per Schiff, dann per Lkw 1.000 Kilo­meter durchs Land zu trans­por­tieren. Viel zu umständ­lich, habe ich gesagt, das klappt nicht. Solche Projekte muss man in Orts­bau­weise umsetzen, mit Mate­ria­lien aus der Umge­bung.  

Und die Kinder in Ihre Planungen mitein­be­ziehen… Nur in Deutsch­land. Im Ausland geht das nicht, weil die Kinder meis­tens keine Ahnung von der Sportart haben. In Namibia haben wir die Anlage zudem für Kinder gebaut, die blind und taub sind. Wir planen aber gene­rell so, dass jeder die Anlage seinen Fähig­keiten entspre­chend nutzen kann, nicht so, als würden die Kinder bereits zehn Jahre auf dem Board stehen. Wenn sie wollen, können sie da auch nur rauf- und runter­laufen. Im Prinzip funk­tio­niert die Anlage wie ein Sport­platz.

Ist der Auftrag mit dem Bau erle­digt? Wer kümmert sich um die Nach­hal­tig­keit der Projekte? Dafür sorgen die Stif­tungen. Es kommt aber öfter vor, dass Projekt­be­treuer nach kurzer Zeit den Ort verlassen. Jemand Neuen zu finden, ist nicht leicht. Außerdem erleben wir, wie versucht wird, Projekte für eigene Zwecke zu instru­men­ta­li­sieren. In Tansania etwa liegt die Skate­bahn auf einem Kirchen­ge­lände. Irgend­wann verlangte der Pfarrer, dass die Kinder vorm Spielen beten sollten. Das ist gegen unsere Prin­zi­pien: Der Sport soll ohne Vorbe­din­gungen und für alle Kinder möglich sein. Wir durch­laufen viele Lern­pro­zesse: In Afgha­ni­stan haben wir den Kindern anfangs die Boards mit nach Hause gegeben, die wurden ihnen dann unter­wegs von älteren Jugend­li­chen abge­nommen. Nun werden die Bretter einge­sam­melt und nur zum Trai­ning raus­ge­geben.      

Was braucht es, um einen Park wie in Namibia zu bauen? Man benö­tigt Leute vor Ort, die das Projekt unter­stützen, die die Netz­werke und Baupreise kennen. Unsere Erfah­rung ist: Wenn man keine ansäs­sigen Helfer findet, zahlt man schnell den drei- bis vier­fa­chen Preis für die Mate­ria­lien. In Namibia hat uns ein deut­scher Verein geholfen, in Ruanda jemand vom SOS-Kinder­dorf, das die Initia­tive auch ange­schoben hatte.  

Und wie lösen Sie das hand­werk­lich? Mit Spezia­listen. Um die Ober­fläche einer Skate­bahn optimal herzu­richten, sind mehrere Fach­ar­beiter nötig, Könner an der Hand­kelle. Das ist abso­lute Fein­ar­beit, eigent­lich mehr Kunst als Hand­werk. Und die Leute müssen mit den klima­ti­schen und kultu­rellen Bedin­gungen in den jewei­ligen Ländern zurecht­kommen, außerdem vertrau­ens­würdig und zuver­lässig sein. Bei Letz­terem haben wir schon nega­tive Erfah­rungen gemacht.  

Klingt nach einer schwie­rigen Suche. Wo findet man die rich­tigen Mitar­beiter für solche Projekte? Die Kontakt­auf­nahme läuft komplett über die sozialen Netz­werke. Mein Face­book- und Insta­gram-Account haben eine gute Reich­weite. Wenn ich von unseren Projekten berichte, melden sich sofort Leute, die Lust haben mitzu­ma­chen. Die kommen über­wie­gend aus Europa, manche auch aus anderen Teilen der Welt. Beim letzten Skate­park in Beth­lehem gehörten ein Engländer, ein Ameri­kaner, ein Deut­scher, ein Syrer und ein Paläs­ti­nenser zum Team.

Was treibt diese Menschen an? Wir reali­sieren die Projekte in den Winter­mo­naten, Januar bis März. Eine Zeit, in der Hand­werker auf der nörd­li­chen Halb­kugel norma­ler­weise weniger zu tun haben. Was sie lockt, würde ich als Mischung aus Aben­teu­er­lust und Sozi­al­enga­ge­ment bezeichnen. Die haben einfach Spaß, dabei zu helfen, und sind deshalb bereit, für weniger Geld zu arbeiten. Wir bauen die Parks in der Regel für 30.000 bis 40.000 Euro. In Deutsch­land müssen sie mit dem vier­fa­chen Preis kalku­lieren.  

Ist ihre Arbeit im Preis enthalten? Die Projekte sind alle über Stif­tungen finan­ziert und können nur mit sozialem Enga­ge­ment umge­setzt werden. Wir planen die Bahnen ehren­amt­lich, sind dafür bei der Umset­zung nicht dabei. Vier oder sechs Wochen unbe­zahlt in der Welt unter­wegs zu sein, könnten wir uns nicht leisten. Zum Teil nehmen sich meine Mitar­beiter aber Urlaub, oder die Werk­stu­denten nutzen ihre Semes­ter­fe­rien, um vor Ort zu unter­stützen. Ich selbst war vor ein paar Monaten in Namibia bei der Fertig­stel­lung eines Skate­parks dabei.

Was ist Ihre Moti­va­tion? Um das anfäng­liche Beispiel aufzu­greifen: In Namibia haben wir mit drei Schulen zusam­men­ge­ar­beitet, eine für taube, eine für sehbe­hin­derte und die dritte für körper­lich gehan­di­capte Kinder. Es ist unbe­schreib­lich, wie sehr sich diese Kinder über die Skate­bahn gefreut haben. Der Abschied war so emotional, da standen allen die Tränen in den Augen. Skaten hilft Kindern, Selbst­ver­trauen aufzu­bauen, Aner­ken­nung zu bekommen, was viele von ihnen nicht gewohnt sind. Ich suche mit dem Enga­ge­ment auch einen Ausgleich zum normalen Geschäft. Ich möchte etwas tun, was das Herz berührt.    

Vermut­lich zahlt sich Ihr Enga­ge­ment trotzdem aus. Natür­lich sind das Refe­renz­pro­jekte: kein Geld, dafür Image. Wir heben uns von Mitbe­wer­bern ab, werden bekannter und das zieht neue Aufträge nach sich. Man lernt zudem eine Menge durch die Projekte in fremden Ländern und Kulturen. Inter­na­tional zu bauen, das macht sonst kein Land­schafts­ar­chi­tek­tur­büro in Deutsch­land. 95 Prozent unserer Aufträge sind mitt­ler­weile Skate­parks — an der Ostsee, im Schwarz­wald oder in Bayern.

Ab 2020 ist Skate­board­fahren olym­pisch. Hat sich Ihr Know-how bis zum IOC rumge­spro­chen? Viel­leicht, in Köln sitzt immerhin die IAKS (Inter­na­tio­nale Verei­ni­gung Sport- und Frei­zeit­ein­rich­tungen, Anm. d. Redak­tion). Die wird vom IOC geför­dert und vergibt alle zwei Jahre einen Award für vorbild­liche Sport­stätten. Wir sind dreimal gekürt worden, für die Projekte in Beth­lehem, Tansania und Afgha­ni­stan. Inso­fern könnte das IOC uns kennen (lacht). Aber ganz ehrlich: Skate­boarden ist so ein kleiner Programm­punkt bei Olympia und wer baut sich heut­zu­tage noch einen Olym­pia­park in die Stadt?

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