Auch Architekten brauchen Likes

Bauen mit Social Media

von Katie Dabbs

Digitalisierte Biester

Wir haben uns zu digi­ta­li­sierten Bies­tern entwi­ckelt, die in Sekun­den­schnelle persön­liche State­ments senden können. Bilder, Posts, Einla­dungen und Tweets: Wir sind in der Lage, Meinungen und Ideen – Halb­gares wie Voll­wer­tiges – im Hand­um­drehen zu verbreiten. Wir kommu­ni­zieren täglich mit einem Publikum, das wir zum Teil kennen, zum Teil aber auch nicht. Wir posten Selfies, folgen unter­schied­lich promi­nenten Menschen oder bekunden unsere Liebe zu einem bestimmten Donut-Shop. Die Public Rela­tions Mana­gerin Katie Dabbs macht sich Gedanken darüber, wie sich diese Entwick­lungen auf Archi­tektur und Design auswirken: Bauen mit Social Media.  

Norman Foster vs Bjarke Ingels

Die Tage des Zeichen­bretts, der glit­zernden hand­ge­fer­tigten Modelle und der Hard­cover-Refe­renz­mappen sind vorbei. Es gibt 3D DruckOculus Rift, geren­derte Videos und Social Media. Ein Beispiel: Rupert Murdochs Medi­en­un­ter­nehmen 21st Century und Fox beauf­tragen nicht etwa den 80-jährigen Sir Norman Foster mit der Planung ihres vierten und letzten Wolken­krat­zers, sondern den jungen Parvenu Bjarke Ingels. Für die Vanity Fair und ihren Autor Paul Gold­berger ist dies „mehr als ein ödipales Grum­meln in der Archi­tek­tur­welt. Es sagt viel aus über die Welt der Medien, und nicht nur über Murdochs Medien.” Als PR-Mana­gerin, die ihre kurze bishe­rige Karriere in Archi­tek­tur­büros verbracht hat, ist es meine Aufgabe, das Entstehen eines Gebäudes in den Medien abzu­bilden. Das Hand­werk, die Mate­ria­lien, die Methoden, die Technik, das Team­work, die Part­ner­schaften, die Manpower. Mit Social Media haben wir ein mäch­tiges Werk­zeug, das die verbrau­cher- und konsum­ori­en­tiertem Unter­nehmen sofort genutzt haben. Bauen mit Social Media holt nun auf.

 

Kim Kardashian kennt den Weg

„Twitter wurde für einen Moment mein Google”, sagte immerhin die Social-Media-Monar­chin Kim Karda­shian in einem kürz­lich veröf­fent­lichten Inter­view. Sie hatte ihre 34,7 Millionen Anhänger inter­viewt und nach Film­be­wer­tungen, Restau­rants und dem rich­tigen Rosaton einer Parfüm­fla­sche befragt. So trivial ihre Fragen auch erscheinen mögen: Die Geschichte zeigt ihr spezi­elles Talent, in Sekun­den­schnelle wert­volle Markt- und Marken­ein­blicke zu sammeln. Auch in der Archi­tektur spielt die öffent­liche Meinung eine immer wich­tiger werdende Rolle. Vorschriften, Kontrollen und gesell­schaft­liche Entwick­lungen können den Verlauf eines Baupro­jekts erheb­lich beein­flussen, vor allem im Bereich der öffent­li­chen Archi­tektur (denken Sie an Kongress­zen­tren, Stadien, Museen oder Flug­häfen). Für die geplante Erwei­te­rung der Frick Coll­ec­tion in Manhattan sollte ein wert­voller Garten weichen. Der öffent­liche Aufschrei war enorm und wurde durch die sozialen Medien sehr schnell öffent­lich. Den Verant­wort­li­chen blieb keine andere Wahl: Sie entwarfen sehr schnell einen neuen Plan, der den geliebten Garten schonte und auf die Sorgen der Öffent­lich­keit reagierte.

Stellt Euch dar!

Die öffent­liche Meinung ist mächtig. Die Umset­zung öffent­li­cher Baupro­jekte dauert Jahre, verschlingt Tausende von Arbeits­stunden und viel Geld – und hat erheb­liche Auswir­kungen auf die Gemein­schaft, für die es entsteht. Öffent­liche Archi­tektur beein­flusst also das Leben der Menschen nach­haltig, im Guten wie im Schlechten. Planer und Archi­tekten müssen das wissen und berück­sich­tigen, heute mehr als je zuvor. Es ist für Archi­tekten und Desi­gner unmög­lich, jeden Stör­fall voraus­zu­sehen, den ihr Projekt verur­sa­chen könnte. Umso wich­tiger ist es daher, auf die öffent­liche Meinung zu achten, bevor diese bedroh­lich wird. Dies gilt natür­lich auch und beson­ders für öffent­liche Auftrag­geber: Sie wollen, dass ihre Planer und Desi­gner in den öffent­li­chen Dialog treten, um Miss­ver­ständ­nissen vorzu­beugen und Nutzer­wün­sche recht­zeitig berück­sich­tigen zu können. Wenn dieser Dialog jeder­zeit nach­prüfbar (weil öffent­lich) ist, umso besser. Archi­tekten wie Bauherren müssen ihre krea­tiven Prozesse und Entschei­dungen darstellen und den öffent­li­chen Dialog suchen und führen. Die späteren Nutzer sollten von Beginn an „im Boot“ sein und Wünsche äußern können – dann können sie auch nachher nicht sagen, sie hätten von nichts gewusst. Hier kommt Bauen mit Social Media ins Spiel. Nie war es einfa­cher, die Meinungen kriti­scher Massen von Menschen zu sammeln, zu analy­sieren und auch zu beein­flussen. Die Nutzer sozialer Medien drücken sich bisweilen unge­fil­tert aus, über­treten Grenzen und sind pole­misch. Direkte und ehrliche Stim­mungen und Strö­mungen gibt es aber immer, frei Haus und ohne teure und wenig aussa­ge­kräf­tige Umfra­ge­tools.

 

Auch Architekten brauchen „Likes“

Archi­tekten und Desi­gner können und müssen Social Media nutzen. Unser Beruf verlässt sich seit langem auf Daten, Umfragen und andere Para­meter, um den Einfluss von Archi­tektur zu messen. Jetzt können wir das Bauen mit Social Media nutzen, um Meinungen und Kritiken über Entwürfe und fertig­ge­stellte Bauten zu erfahren. Insta­gram und Face­book bieten das Feed­back der Commu­nity in Form eines “like” oder Kommen­tars, Pinte­rest bietet Pins. Bauen mit Social Media hat die Macht, die Tage der mühsamen Daten­er­he­bung zu beenden: Es gibt zu jedem Thema eine Gruppe. Sie benö­tigen eine Meinung zu einem Mate­rial, das Sie in Betracht ziehen? Eine Fassaden-Option, die Sie einem Kunden vermit­teln wollen? Sie wollen verstehen, wie die Nutzer mit ihren Räumen inter­agieren? Stellen Sie Ihren Anhän­gern, Fans und Follo­wern Fragen. Lassen Sie sie reagieren. Vermit­teln Sie Meinungen. Planen Sie voraus.

 

Verstand und Herz

Der wohl meist­ge­suchte Archi­tek­tur­fo­to­graf ist Iwan Baan. Für Top-Stars wie Rem Kool­haas, Zaha Hadid und Herzog & de Meuron ist er gera­dezu unent­behr­lich. Seine Fotos werden sofort und exklusiv an Zeit­schriften und Zeitungen verteilt. Seine Social-Media-Stra­tegie ist meiner Meinung nach die beste der Design­branche: In seinem Insta­gram-Account verzichtet er komplett auf seine ausge­feilten Hoch­glanz­bilder und offen­bart eine andere Seite der Archi­tektur. Seine Fotos führen uns hinter die Kulissen: an Orte, die er besucht hat, zu Menschen, denen er auf seinen Reisen begegnet ist, und natür­lich auch zu den Gebäuden, die er foto­gra­fiert hat. Alles anders, alles ohne Glanz. Verstand trifft Herz, Mensch verbindet sich mit Archi­tektur. Mein Gefühl sagt mir, dass dies der Weg der Zukunft ist. So werden wir auch Gebäude bauen. Wir werden unsere Fans befragen, das Publikum herein­lassen, ihre Tempe­ratur messen, sie mit ihren Gebäuden verbinden, bevor sie gebaut werden, und sie bereits i beim Entwurf mit auf die Reise nehmen. So werden wir diesen viel­schich­tigen und unglaub­lich nuan­cierten Prozess letzt­lich einfa­cher machen. Mehr Infor­ma­tion führt zu fundier­teren Entschei­dungen. Wir werden die Reak­tionen in Echt­zeit messen, bevor wir weiter­ma­chen. Unser Publikum wird uns leiten.

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