Zirkuläres Bauen
Die klimafreundliche Sportstätte
Nachhaltige Sporträume stellen einen wichtigen Multiplikator für eine nachhaltige Entwicklung dar und bieten uns eine Chance für ein zukunftsfähiges Sporttreiben.
Schon bei der Planung müssen Materialien berücksichtigt werden, die recyclebar sind oder aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Das zirkuläre Bauen muss im Vordergrund stehen.
dosb umwelt: Bau und Betrieb von Gebäuden sind in Europa für rund ein Drittel der CO2 ‑Emissionen verantwortlich. Sanierung und Bau von Sportstätten können eine durchaus bedeutsame Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen, die die Europäische Union bis 2050 anstrebt.
Insbesondere viele kleinere Vereine sind aber überfordert, beispielsweise mit der Einhaltung und Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Sanierung. Sie haben auch Turnhallen zertifiziert – haben Sie Tipps für den Sport, was es zunächst bei einem Sanierungsvorhaben zu bedenken gibt?
Natalie Eßig: Ob Neubau oder Sanierung von Sportstätten – bei allen Baumaßnahmen ist ein ganzheitlicher, lebenszyklusorientierter Ansatz erforderlich. Hierbei müssen nicht nur die Baukosten im Auge behalten werden, sondern der gesamte Lebenszyklus der Baumaterialien und der Sportstätte an sich – startend bei der Herstellung, der Nutzung, der Instandhaltung bis hin zum Rückbau.
Schon bei der Planung müssen Materialien eingesetzt werden, die recyclebar sind oder aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen und wieder in den Ressourcenkreislauf einfließen können. Das zirkuläre Bauen muss im Vordergrund stehen. Neben Umweltaspekten müssen aber auch Baumaterialien eingesetzt werden, die sich nicht negativ auf die Gesundheit der Sportler*innen und Nutzer*innen auswirken.
Prof. Dr.-Ing. Natalie Eßig ist Architektin, Energieberaterin, Professorin für Baukonstruktion und Bauklimatik sowie Auditorin der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.
Zudem sollte neben der Baukostenermittlung eine Berechnung der Kosten über den ganzen Lebenszyklus einer Sportstätte durchgeführt werden. Wenn all diese Themen frühzeitig in die Planungen bei Sanierungen und Neubauten einfließen und miteinander kombiniert werden, dann steht einer nachhaltigen, das heißt umweltfreundlichen, wirtschaftlichen und gesunden Sportstätte nichts mehr im Wege.
Wir benötigen einfache, leicht handhabbare Konzepte für die Lüftung, Heizung und Beleuchtung von Sportstätten, die flexibel auf die vielfältigen Nutzer*innen abgestimmt sind – auch wenn mal eine Türe offen steht.
dosb umwelt: Der Sport ist der zweitgrößte Eigentümer der mehr als 230.000 Sportstätten in Deutschland. Was den Einsatz klimafreundlicher Technologien angeht, sind viele Sportvereine aktiv und werden durch eigens ausgebildete Umwelt- und Klimaberater*innen unterstützt, die den Vereinen Einsparpotenziale aufzeigen. Frau Professorin Eßig, Sie raten bei der Betrachtung der Ökobilanz eines Gebäudes dazu, nicht zu viel Technik zu planen. Für welche Sanierungsmaßnahmen spielt das eine Rolle?
Natalie Eßig: Mit Hilfe einer Ökobilanz können bereits in der Planungsphase die CO2 ‑Emissionen und die „Graue Energie“ über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes ermittelt werden. Hierbei zeigt sich, dass insbesondere der Betrieb von Gebäuden und die eingesetzte Gebäudetechnik einen großen Anteil der CO2 ‑Emissionen und der „grauen Energie“ ausmachen. Bei den heute eingesetzten TGA-Konzepten finden wir sowohl zahlreiche High-Tech‑, als auch Low-Tech-Ansätze, die zu energieeffizienten Lösungen führen.
Wichtig ist, dass hierbei zwischen den unterschiedlichen Gebäudenutzungen unterschieden wird. Während beispielsweise im Wohnungsbau komplexe Technologien und Lösungsansätze für Lüftung, Heizung, Licht etc. gut funktionieren, da diese auf die Nutzer*innen abgestimmt sind und auch die Nutzer*innen in die Technik eingewiesen sind, trifft man im Sportstättenbau auf vielfältige Nutzergruppen.
Wir benötigen daher einfache, leicht handhabbare Konzepte für die Lüftung, Heizung und Beleuchtung von Sportstätten, die flexibel auf die vielfältigen Nutzer*innen abgestimmt sind – auch wenn mal eine Türe oder ein Fenster offensteht. Folglich wäre es mir ein Anliegen, zukünftig Sportstätten effizienter („besser“), konsistenter („anders) und suffizienter („weniger“), d.h. mit weniger Technik auszustatten.
Baumaterialien, die aktuell rückgebaut werden, landen zu 50 Prozent auf der Deponie und zu weiteren 40 Prozent in der Thermischen Verwertung. Der Recyclinganteil und die Wiederverwertung könnten jedoch auf 85 Prozent gesteigert werden.
dosb umwelt: Der Bauausschuss im Deutschen Bundestag hat im September 2020 einen Antrag der Regierungsfraktionen zu Leitlinien für künftiges Bauen angenommen, mit dem nachhaltiges, wirtschaftliches und innovatives Bauen befördert werden soll. Im Mittelpunkt steht ein geringer CO2 ‑Fußabdruck im gesamten Produktlebenszyklus. Wiederverwendbare Materialen, begrünte Dächer und neue Heizungen – welche Möglichkeiten ergeben sich hieraus für den Sport und vielleicht auch welche Probleme?
Natalie Eßig: Unser Bausektor ist aktuell für 60 Prozent des Mülls verantwortlich, verbraucht 50 Prozent der Ressourcen und 40 Prozent der Energie. Zudem herrscht insbesondere bei mineralischen Baustoffen eine große Ressourcenverknappung – zum Beispiel bei Sanden – und die Klimaveränderungen bewirken vermehrt Starkregen oder lange Hitzeperioden. Hier könnte der Sportstättenbau mit Maßnahmen wie der Wiederverwendung von Baumaterialien, nachwachsenden Rohstoffen, Gründächern als Regenwasserpuffer und Klimaspeicher oder dem Einsatz von erneuerbaren Energien entgegenwirken.
Mit unserer Forschung konnten wir nachweisen, dass Baumaterialien, die aktuell rückgebaut werden, zu 50 Prozent auf der Deponie und zu weiteren 40 Prozent in der Thermischen Verwertung landen. Dies könnte jedoch auf 15 Prozent reduziert und der Recyclinganteil und die Wiederverwertung auf 85 Prozent gesteigert werden. Hierzu fehlen in Deutschland allerdings aktuell noch die gesetzlichen Grundlagen und Prozesse.
Während in anderen Ländern, wie in der Schweiz oder in den Niederlanden, schon seit längerem Recyclingbaustoffe eingesetzt werden, stehen wir hier noch ganz am Anfang. Ansätze, wie „Cradle-to-Cradle“ oder Pilotprojekte, bei denen Recyclingbeton oder ein hoher Anteil an nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt werden, zeigen, dass nachhaltige Bauweisen sehr gut funktionieren und auch für den Sportstättenbau möglich sind. So wird am Beispiel der Stadt Frankfurt deutlich, dass Sportstätten aus Holzbauweise nicht nur zu einer starken Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks und der CO2 ‑Emissionen führen, sondern auch wirtschaftlich umsetzbar sind.
Nachhaltige Sporträume stellen einen wichtigen Multiplikator für eine nachhaltige Entwicklung dar und bieten uns eine Chance für ein zukunftsfähiges Sporttreiben.
dosb umwelt: Im Hinblick auf den Klimawandel betonen Sie die soziale und gesellschaftliche Verantwortung beim nachhaltigen Bauen und Sanieren. Wie kann Ihrer Meinung nach die notwendige Wandlungsfähigkeit in der Gesellschaft befördert werden? Welche Rolle kann der Sport hier mit seinen 90.000 Sportvereinen und 27 Millionen Mitgliedschaften spielen? Welche Handlungsoptionen sehen Sie für den Sport, sich stärker in klimaangepasste und nachhaltige Quartiers- und Stadtentwicklung einzubringen?
Natalie Eßig: Der Klimawandel gehört zu den drängendsten gesellschaftlichen Themen unserer Zeit. Sollen zukünftige Generationen eine lebenswerte Umwelt vorfinden, müssen wir umlenken. Dem Sport kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Ob körperliche Betätigung als Freizeitbeschäftigung oder im Spitzensportbereich – der Sport mit seinen vielfältigen Facetten ist heutzutage ein zentrales Element unserer Freizeit- und Unterhaltungskultur, fördert die Gesundheit, ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und kann mit seinen vielfältigen Mitgliedern und Sporttreibenden intensiv zu einem nachhaltigen Handeln beitragen. Sport und nachhaltige Entwicklung sind deshalb eng miteinander verbunden und müssen verstärkt gemeinsam betrachtet werden.
Auch wenn die Verbindung zwischen Sport und Nachhaltigkeit nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich ist, sind vielfältige Verknüpfungen dennoch erkennbar: angefangen bei umweltgerechten, kleinen und großen Sportveranstaltungen bis hin zum nachhaltigen Sportstättenbau und Sporttreiben. Hierbei nimmt jede*r Sporttreibende im Sinne des Wissenstransfers eine wichtige Rolle ein, aber auch Sportämter und die Stadtplanung müssen im Sinne einer nachhaltigen Quartiers- und Stadtentwicklung stärker zusammenarbeiten.
Nachhaltige Sporträume – von der Sporthalle über Außenanlagen bis hin zu Sport- und Bewegungsflächen im Freien – stellen einen wichtigen Multiplikator für eine nachhaltige Entwicklung dar und bieten uns eine Chance für ein zukunftsfähiges Sporttreiben. Nachhaltigkeit im Sportsektor heißt daher für alle Sporttreibenden: (um) denken und (um) handeln!
Das waren wir.
Projektdaten
Quelle
Informationsdienst “Sport schützt Umwelt“
Nr. 135, Juli 2021
Fragen: Gabriele Hermani
Deutscher Olympischer Sportbund
Expertin
Prof. Dr.-Ing. Natalie Eßig
Hochschule München
Fotografen
Bilddatenbank des LSB NRW
Hochschule München (Prof. Dr.-Ing. Natalie Eßig)
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